Rhein-Erft – Es gibt Tage, da werden die Wesselinger Brandbekämpfer nicht sofort mit offenen Armen empfangen. Denn es gibt Tage, da meinen die Leute, den Notarzt gerufen zu haben und dann kommt plötzlich die Feuerwehr. „Die Leute wundern sich oft, warum wir vor der Tür stehen“, sagt Wesselings Stadtbrandmeister Wolfram Semrau. Trotzdem hat das Notrufsystem in diesen Fällen nicht versagt. Im Gegenteil: Die anfängliche Verwunderung schlägt schnell in Dankbarkeit um, wenn die Brandbekämpfer aufkreuzen. Schließlich retten sie in vielen Fällen Leben.
„First Responder“ heißt das Notfallsystem, das die Feuerwehr auf den Plan ruft, wenn ein Rettungswagen nicht schnell genug an Ort und Stelle sein kann. First Responder kann als „Erstversorger“ übersetzt werden. Ob bei Herz-Kreislauf-Stillstand, Schlaganfall oder akuter Luftnot – mittlerweile sind sämtliche Feuerwehren des Rhein-Erft-Kreises darauf vorbereitet, lebenswichtige Minuten bis zum Eintreffen des Notarztes zu überbrücken.
Gezielte Stromstöße
„Wir sind so schnell, das kann man sich nicht vorstellen“, sagt Ralf Kiel, Hauptbrandmeister und Leiter der technischen Abteilung der Wesselinger Feuerwehr. Der 45-Jährige und sein Kollege Andreas Braun ziehen zwei große Koffer aus dem Löschfahrzeug mit der internen Bezeichnung LF 2016. Es handelt sich um einen Notfallkoffer mit vielen kleinen Medikamentenfläschchen und ein Beatmungsgerät. Auch ein EKG und ein Defibrillator, mit dem mit gezielten Stromstößen Herzrhythmusstörungen behandelt werden, gehören zur medizinischen Ausstattung des Einsatzfahrzeugs.
„Jeder Notruf kommt bei der Kreisleitstelle in Kerpen an“, erklärt Kiel, der wie die meisten seiner Kollegen eine zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert hat: „Dort kann am Computer gesehen werden, welche Notarztwagen frei oder besetzt sind.“ Laut Vorgabe dürfen nicht mehr als acht Minuten vergehen, bis der Notarzt beim Patienten eintrifft. Sind aber alle Rettungswagen in der Nähe des Patienten bereits im Einsatz, werden die örtlichen Brandbekämpfer alarmiert.
Schnelles Eingreifen sei vor allem bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand oder bei einem Schlaganfall gefragt, erklärt Semrau: „Nach drei bis fünf Minuten fangen die Gehirnzellen an abzusterben.“ Irreparable Schäden können die Folge sein. „Jede Sekunde, die wir schneller da sind, verringern die Kosten der anschließenden Rehabilitationsmaßnahmen um tausende Euro“, weiß Hauptbrandmeister Kiel. Bezahlt würden die Einsätze von den Krankenkassen trotzdem nicht, ergänzt Hubert Titz, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes des Rhein-Erft-Kreises: „Das ist reiner Dienst am Bürger.“
Titz zufolge ist die Zahl der First-Responder-Einsätze im Rhein-Erft-Kreis seit ihrer Einführung vor rund zehn Jahren unverändert geblieben. Schließlich habe man sich selbst verpflichtet, in 90 Prozent der Fälle in den vorgegebenen acht Minuten den Rettungsdienst an Ort und Stelle zu haben. Die Profis der Wesselinger Wehr haben jedoch den Eindruck, öfter zum Dienst am Kranken gerufen zu werden als noch vor Jahren. Kiel führt dies darauf zurück, dass die Rettungsdienstfahrzeuge immer öfter und länger im Einsatz sind. Immer mehr Kliniken seien spezialisiert, das mache längere Fahrten nötig.
Mittlerweile zählt die Wesselinger Feuerwehr bis zu 100 First-Responder-Einsätze pro Jahr. Andere Wehren werden seltener gerufen. In Bergheim zum Beispiel sind erstbehandelnde Brandbekämpfer die Ausnahme. Nur fünf- bis zehnmal im Jahr würden Patienten verarztet, so Hermann-Josef Metternich, stellvertretender Stadtbrandmeister der Bergheimer Feuerwehr. Das liege vor allem an der relativ großen Zahl an Notarztwagen in seinem Bereich: „Wir sind rettungsdienstmäßig sehr gut abgedeckt.“
In Wesseling haben bereits viele der erstbehandelten Patienten den Brandbekämpfern ihr Leben zu verdanken. So wie jener 50-Jähriger, der – nicht alkoholisiert – vor einigen Wochen in einer Wesselinger Gaststätte mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand umfiel. Drei Minuten nach dem Notruf war die Feuerwehr zur Stelle. Dank Herzdruckmassage, Defibrillation und künstlicher Beatmung hielt der Mann durch, bis der Notarzt den Fall übernehmen konnte.
Quelle: Kölner Stadtanzeiger Tobías Christ 07.04.2008